Nominiert für die Wahl zum Kennerspiel des Jahres 2025
Seit 2011 verleiht die Jury des Vereins Spiel des Jahres e.V. auch den Kennerspiel-Preis. Die hier prämierten Spiele richten sich an Spielende, die bereits mehr Erfahrungen mit Brettspielen gesammelt haben und auf der Suche nach neuen und auch anspruchsvolleren Herausforderungen sind. Hier kommen wir der Zielgruppe „Spiele für Ingenieure“ schon deutlich näher ;-)
In diesem Jahr sind die drei Kandidaten für das Kennerspiel des Jahres 2025:
Endeavor: Die Tiefsee von Carl de Visser und Jarratt Gray (Verlag: Frosted Games bzw. Board Game Circus)

Das Spiel Endeavor: Die Tiefsee war schon auf der letzten Messe Spiel 2024 in Essen ein Hype-Titel und entsprechend begehrt. Im Spiel gilt es als Forscherteam, die Tiefen des Ozeans zu erkunden, die passende Crew dafür zusammenzustellen und die eigene U-Boot-Flotte zu erweitern. Jedes Spiel startet an der Meeresoberfläche, die weiteren Tiefenzonen werden erst nach und nach durch die Spielenden aufgedeckt.
Für jedes Spiel wird ein Szenario ausgewählt, das den Startaufbau, eigene Regeln, Ziele und Herausforderungen bietet. Die Besonderheit: Es kann gegeneinander, aber auch gemeinsam (oder auch solo) gespielt werden.
Durch geschickte Wahl der Aktionen können eigene Crewmitglieder aktiviert werden und die U-Boote bewegt bzw. getaucht werden. Mittels Sonar können neue Tiefenzonen entdeckt werden, die dann erforscht und die Forschungsergebnisse anschließend publiziert werden können.
Dabei baut jeder Spielende stetig seine Erfahrungswerte aus und verbessert so sein Aktionsmöglichkeiten sowie auch seine einzelnen Crewmitglieder.
Mir gefallen der thematische Bezug, die hohe Variabilität beim Spielplanaufbau, die unterschiedlichen Spielmodi und die wechselnden Spielziele sehr. Unterstützt wird das Forscherfeeling dabei durch eine sehr ansprechende grafische Umsetzung. Das Gesamtpaket verspricht langen Spielspaß mit immer neuen Herausforderungen.
Damit passt Endeavor: Die Tiefsee auch ideal in die Rubrik „Spiel für Ingenieure“.
Faraway von Johannes Goupy und Corentin Lebrat (Verlag Kosmos)

Beim Kartenspiel Faraway erforschen wir einen fiktiven Kontinent, in dem wir in acht Runden jeweils eine Regionskarte in einer Reise von links nach rechts auslegen. Jede der farbenfrohen Regionskarten trägt eine individuelle Ortszahl und enthält verschiedene Symbole, Bedingungen sowie Siegpunktmöglichkeiten.
Liegen vor jedem Spielenden die acht Regionen aus, werden alle Karten verdeckt/umgedreht. Dann kommt der besondere Kniff bei diesem Spiel: Die Punkteauswertung erfolgt in umgekehrter Kartenreihung. Die Karten und deren Bedingungen werden also nicht in der Reihenfolge gewertet, in der sie ausgespielt wurden, sondern rückwärts – von rechts nach links.
Das bedeutet, dass die Bedingungen einer Karte nur dann erfüllt sind, wenn die dafür nötigen Symbole und Voraussetzungen auch auf den bereits aufgedeckten Karten zu sehen sind.
Diese ungewohnte Auswertemechanik strapaziert ordentlich die grauen Zellen. Die Spielenden müssen vorausschauend planen, welche Karten sie wann ausspielen, um die Bedingungen für spätere Karten zu erfüllen. Immer wieder kann es hier passieren, dass man quasi über die eigenen Füße stolpert.
Interessanterweise macht das aber viel Spaß, insbesondere da es meist allen Spielenden gleich geht und die Punktewertung einige Überraschungen bereithält. Gewürzt wird das Ganze damit, dass man durch Ablegen von Regionen mit aufsteigenden Ortszahlen weitere Boni und Wertungsmöglichkeiten erlangen kann.
Die Regeln von Faraway sind überschaubar kurz, das Spiel macht sehr viel Spaß und ist flott gespielt. Meiner Meinung nicht nur ein reizvolles Kennerspiel, sondern durchaus auch für Gelegenheitsspieler zu empfehlen.
Und dann gibt es noch den dritten Kandidaten für das Kennerspiel der Jahres:
Neuland von Charles Chevallier und Laurent Escoffier (Verlag Game Factory)
Beim Spiel Neuland (besserer Originaltitel „Looot“) „erkunden“ die Spielenden als Anführer von Wikingerclans ein seltsam verlassenes Land und sammeln/plündern dort Ressourcen. Dazu setzen sie abwechselnd ihre Wikingerfiguren auf freie Ressourcenfelder oder neben Gebäudeplättchen auf dem zentralen (variablen) Spielplan ein.
Bestimmte Platzierungsbedingungen ermöglichen es, verlassene Gebäude (Häuser, Türme, Burgen) zu beanspruchen, die ebenfalls Punkte bei Spielende bringen. Thematisch etwas fragwürdig, können auch diese Gebäude von den Wikingern in der „Heimat“ wieder errichtet werden.
Zusätzlich hat jeder Spieler also auch einen eigenen Spielplan, auf dem er mit seiner Beute Baustellen und Aufwertungsplättchen erfüllen kann. Fertiggestellte Plättchen bringen Siegpunkte und oft auch Vorteile für den weiteren Spielverlauf. Jeder Spielende hat zudem drei einmalig nutzbare Spezialfähigkeiten, die taktisch klug eingesetzt werden sollten.
Kernmechanismus ist das clevere Einsetzen der eigenen Spielfiguren. Man kann sich Ressourcen sichern und den Mitspielenden auch wichtige Felder wegschnappen bzw. ihre Wege blockieren. So verbindet Neuland das Erkunden und Erobern eines Landes mit Ressourcenmanagement und einem möglichst geschickten Puzzle auf dem eigenen Spielplan.
Das Wikingerthema wirkt auf mich aufgesetzt und wird auch wenig atmosphärisch umgesetzt. Leider kommt es zudem sehr farblos daher. Das meine ich sowohl in Bezug auf die grafische – ziemlich blassgrüne – Gestaltung, also auch auf den Innovationsgrad der Spielmechanik. Auf mich übt das Spiel somit leider wenig Reiz aus.
Mein Tipp:
Irgendwie haben ja in diesem Jahr alle Kandidaten etwas mit dem Thema „Erforschen“ zu tun, also damit auch perfekt geeignet als Spiele für Ingenieure ;-).
Endeavor: Die Tiefsee erfüllt dabei in meinen Augen alle Kriterien für ein würdiges Kennerspiel des Jahres. Faraway ist ebenfalls ein sehr schönes Spiel, aber geht doch eher in Richtung gehobenes (kleines) Familienspiel. Für Neuland sehe ich wenig Chancen, dafür bietet das Spiel einfach zu wenig Innovatives, ist farblos und thematisch „krumm“.
Weitere Empfehlungen der Jury:
Wie auch beim Spiel des Jahres gibt es auch hier noch eine Liste mit weiteren Kennerspiel-Empfehlungen der Jury:
The Gang von John Cooper und Kory Heath (Kosmos)
Das Spiel The Gang ist ein kooperatives Kartenspiel, das auf dem Prinzip von Texas Hold’em Poker basiert. Die Spielenden versuchen, durch geschickte Einschätzung ihrer Pokerhände und ohne über ihre Karten zu sprechen, herauszufinden, wer wohl bei Rundenende in welcher Reihenfolge das bessere Blatt hat. Das Zusammenspiel aus Poker-Mechanik, Teamwork und eingeschränkter Kommunikation sorgt für ein echt spannendes Spielerlebnis, bei dem Glück und Intuition gefragt sind. Günstig ist es dabei, wenn alle Spielenden gleich viel/wenig Pokererfahrung haben!
Kauri von Charlec Couronnaud (Koalla Spiele / Débâcle Jeux)
Im Spiel Kauri wird die Siedlungsgeschichte Neuseelands in einem asymmetrischen Strategiespiel thematisiert. Dabei gibt es vier sehr unterschiedliche Rollen: Kiwi, Maori, Engländer und Possum. Jede Rolle hat dabei jeweils eigene Zielen und eine eigene Spielmechanik. Die Spielenden ziehen jede Runde Karten, platzieren oder bewegen ihre Tiere/Personen auf dem richtig schön gestalteten Spielbrett und versuchen, durch geschicktes Taktieren und das Durchkreuzen der Pläne der Mitspielenden die meisten Punkte zu sammeln. Tatsächlich schafft es das zugängliche Spiel dabei auch die Themen Kolonialismus und Ökologie zu integrieren. Tolle Überraschung des sehr jungen Verlages.
Ebenfalls auf der Empfehlungsliste, aber leider noch nicht vor mir gespielt sind, sind diese beiden Spiele:
Medical Mysteries – New York von Nicholas Cravotta und Rebecca Bleau (Kosmos bzw. Identity Games)
Zenith von Grégory Grard und Mathieu Roussel (PlayPunk)
Hier bzw. unter www.Spiele-für-Ingenieure.de findest Du weitere Tipps und Empfehlungen!